Artist Spotlight mit Sebastian Menzke

Von den Anfängen bis zur
Rückkehr zu den Wurzeln

Sebastian Menzke im Atelier

Kristine Hamann im Gespräch mit dem Künstler zur aktuellen
Ausstellung “TIMELESS” im November 2024

 

Kristine Hamann: Galeristin von Sebastian Menzke seit mehr als dreizehn Jahren

 
 

Als Galeristin bin ich in die Kunstszene gestolpert wie in den falschen Zug: ohne Plan und plötzlich mittendrin. Was als kleines, nicht gewinnorientiertes Projekt mit ein paar Freunden begann, entwickelte sich zu einer Reihe von Ausstellungen, an denen ich mehr zufällig als geplant beteiligt war. Dann kam Sebastian ins Spiel – ein Künstler mit der Energie eines Rennwagens, der wie ein Tornado durch den Raum wirbelte. Sein Mantra „Zeit ist kostbar“ spiegelte seinen unermüdlichen Ehrgeiz wider. Es war schnell klar, dass dieser Mann es ernst meinte.

Ich fühlte mich von seiner Selbstironie angezogen, die mir nur allzu vertraut war. Unsere unausgesprochene Regel: Wer sich selbst zu ernst nahm, konnte nicht ernst genommen werden. Diese gemeinsame Haltung schuf sofort ein Band zwischen uns.

Sebastians künstlerische Entwicklung war geprägt von der ständigen Suche nach neuen Ausdrucksformen. Als 15-jähriger Straßenkünstler in Neubrandenburg musste er noch vor der Polizei flüchten. Doch 2017 stellte er bei seiner ersten Museumsausstellung in seiner Heimatstadt einem Gast einen Polizisten vor, den er gut kannte – ein symbolischer Moment, der seinen Weg von der Straße ins Museum verdeutlichte.

Seine Anfänge in der Street Art legten den Grundstein für seinen Stil, doch die Ölmalerei wurde bald zu seiner wahren Leidenschaft. Hier fand er sein künstlerisches Zuhause und verband die Einflüsse der Straßenkunst mit den Techniken alter Meister und moderner Künstler. Schon seine frühen Werke zogen mit ihrer unverwechselbaren Handschrift Bewunderer an. Sie zeigten geheimnisvolle Darstellungen von Raum, Licht und surrealen Welten, die sein Potenzial erahnen ließen.

In seiner Karriere gab es Momente, in denen er sich zwischen dem Wunsch nach Authentizität und den Erwartungen des Kunstmarktes hin- und hergerissen fühlte. Ein Aufenthalt im Till Richter Museum, umgeben von Natur und begleitet von einer Ausstellung, brachte ihn zu seinen künstlerischen Ursprüngen zurück. Diese Erfahrung half ihm, seine kreative Suche mit den Anforderungen des Marktes zu vereinen. Heute kehrt Sebastian zu seinen früheren Themen Raum und Licht zurück.

Als Galeristin ist es mir eine Freude, diese Entwicklung zu beobachten. Sebastians Potenzial war von Anfang an sichtbar, und seinen künstlerischen Weg über die Jahre zu verfolgen, ist inspirierend. Einige seiner Werke befinden sich in meiner Sammlung und erzählen die Geschichte seines Wandels und seiner Entwicklung. Sebastian arbeitet mit Überzeugung und intuitivem Gespür – seine Werke sind ehrlich und tiefgründig.

Kristine Hamann

 
 

Sebastian Menzke vor seinem Werk “again”, 260 × 600 cm Öl auf Leinwand im Kunstmuseum Neubrandenburg zu seiner Ausstellung “GOOD NEWS” 2017

 

Interview

 

Von Einflüssen und Inspirationen:
Was Sebastian Menzke prägt:

Sebastian, wenn du auf die letzten 19 Jahre unserer gemeinsamen Reise zurückblickst, welche Faktoren – ob Künstler oder andere Einflüsse – haben dich am meisten geprägt und deine Arbeit entscheidend beeinflusst?

Stimmt, es ist schon ganz schön lange her! Ach, mich haben viele Künstler beeinflusst, aber ich interessiere mich auch für andere Dinge. Es muss mich faszinieren, dann habe ich Ohr und Auge dafür. Künstler, die ich spannend fand und teilweise finde, sind nicht zwingend bekannt. Bekanntheit hat nicht immer etwas mit Können zu tun. Sicher gibt es einschlägige Namen, die mich früher interessiert haben, aber sie aufzuzählen, finde ich doch etwas zu einfach hergeleitet. Es spielen, wie gesagt, viele Dinge eine Rolle.

SEBASTIAN MENZKE
„Atelier, 2010
Öl auf Leinwand
139 X 115 cm
Unikat, signiert
Anfrage

Zwischen Metropole und Heimat in MV:

Du hast sowohl in Berlin als auch in Mecklenburg-Vorpommern gelebt und gearbeitet. Wie würdest du die Kunstszene in Berlin im Vergleich zu der in MV beschreiben? Welche Unterschiede erlebst du als Künstler in beiden Umgebungen?

In Mecklenburg bin ich aufgewachsen. Das ist natürlich ein ganz anderer Background. Zu Hause umgab mich keine Kunst, und ich wurde auch nicht in dieser Richtung geprägt. Meine Mutter war Juristin, mein Vater Naturwissenschaftler, mein Großvater ebenfalls Jurist. In der Schule war ich faul und schlecht. Da liegt die Kunst in weiter Ferne. Der Kunstunterricht hat mich erst spät in die Kunstbahn gelenkt, fand das Theoretische aber auch eher mäßig interessant. Deshalb habe ich mich auch erst spät für die hiesige Kunstszene interessiert und hatte daher wenig Übersicht über Kunst und Kultur. Erst in Wismar und auch durchs Studium änderte sich das. Es gibt viel Kunst und Kultur in Mecklenburg, und das hat seit damals stark zugenommen. Der Mecklenburger steht der Kunst, sagen wir mal, anfangs eher skeptisch gegenüber. Das kann sich aber ändern. Er braucht etwas länger Zeit. So wie ich (lacht). Ich liebe aber MV! Das ist ja Heimat.

In Berlin herrscht ein anderes Klima. Als ich nach Berlin gezogen bin, hatte ich mir viele Ausstellungen angesehen und bin zu Eröffnungen gegangen. Bald aber habe ich gemerkt, dass es hier nicht um die Kunst geht, zumindest hatte ich das Gefühl. Es ging um das Event, wer sich besser verkauft und wer am meisten auffällt. Klar, man muss sich irgendwie bemerkbar machen, aber die Qualität der Kunst hat mir oft nicht zugesagt. Ich habe dann beschlossen, nur zu sehr ausgewählten Ausstellungen zu gehen. Hier herrscht großer Konkurrenzdruck, da es eine Masse an Künstlern gibt. Die Ausstellungsorte sind auf zig Jahre ausgebucht. Ich habe ab und zu Ausstellungen in freien Orten gemacht, sofern diese bezahlbar waren. Dort lud ich Bekannte und Freunde ein. Das war immer ganz nett. Als Berliner Künstler spielt man dennoch eine Rolle, da das Label ‘Berlin’ eine globale Ausstrahlungskraft besitzt. Ein bekannter Galerist sagte mal: ‘Man muss in Berlin sein, um zu verkaufen, aber man verkauft nicht in Berlin.’ Das trifft den Nagel auf den Kopf. Wer hier überlebt, ist nicht irrelevant.

Sebastian Menzke / Berlin

13 Jahre Zusammenarbeit

Unsere Zusammenarbeit besteht schon 13 Jahre und ist geprägt von Vertrauen und gemeinsamen Erfolgen. Auch wenn es ab und zu Herausforderungen gibt. Was bedeutet dir diese langjährige Verbindung zu meiner Galerie, und was macht sie für dich besonders?

Für mich ist so eine lange Geschäftsbeziehung nur möglich, wenn der ‘Mensch’ hinter der Galerie authentisch und verlässlich ist. Deine Galerie ist für mich ein Anker im Norden Mecklenburgs, und es verbindet uns eine Freundschaft. Das macht unsere Zusammenarbeit besonders und wertvoll.

Danke! Auch ich schätze Authentizität sehr, da sie in der Kunstwelt oft entscheidend ist, um zwischen oberflächlichem Marketing und echter künstlerischer Tiefe zu unterscheiden. Für viele Kunstsammler und -liebhaber macht genau das den Unterschied aus. Es bedeutet mir viel, dass du mich als authentisch wahrnimmst, und ich empfinde das Gleiche für dich.

Artisttalk zu Eröffnung der Ausstellung “PYTHAGORAS & JELLY BEANS”, Sebastian Menzke & Hans Schüle, 2022

Zur Ausstellung hier

Neustart in der Natur:
Die Residenz im Till Richter Museum

Du hattest kürzlich eine Residenz im Till Richter Museum, die deine Arbeit verändert hat. Was hast du aus diesem Aufenthalt mitgenommen und wie hat er deine künstlerische Ausrichtung beeinflusst?

Der Aufenthalt im Till Richter Museum war ganz wunderbar. Till und seine Frau Genia sind sehr herzliche Gastgeber. Ich konnte dort absolut ungestört und produktiv arbeiten und das abgeschieden in der Natur, in ‘der grünen Hölle’, wie Till es so schön beschrieb. Ich hatte ja lange keine Residency mehr, und von daher war es wie Wasser auf den vertrockneten Boden zu gießen. Es entstanden ganz neue, moderne Arbeiten, auf die ich im Berliner Studio so nicht gekommen wäre. Das hat meine aktuelle Arbeit verändert bzw. beeinflusst. Es war also eine tolle, äußerst ergiebige Residency!

Deine aktuellen Werke zeigen eine Rückkehr zu frühen Themen wie Raum, Licht und surrealen Welten. Was glaubst du, macht diese Motive so anziehend für die Betrachter?

Die Beschäftigung mit Surrealität und Raum geht weit zurück. Wir sprachen darüber in deiner ersten Frage. Der Raum ist für mich ein Archetyp meines Oeuvres, sozusagen die Grundierung für einen Großteil meiner Arbeit. Ich denke eigentlich fast immer in Raum, auch wenn es flächig wird. Raum umgibt uns, wir leben in ihm, und ohne ihn ginge es wohl kaum. Licht ist ebenfalls etwas Grundlegendes für den Menschen. Der Maler versucht ja seit jeher, Licht ins Bild zu bringen. Wenn man auf einer zweidimensionalen Fläche eine Tiefe durch Licht und Raum erschaffen kann, ist es dem Betrachter kaum möglich, sich dem zu entziehen. Mir geht es da natürlich ganz genauso.

Sebastian Menzke
“Erleuchtete”, Öl auf Leinwand, 2024
Entstanden im Till Richter Museum

Materialität im Fokus:
Die besondere Rolle der Epoxidharz-Arbeiten

Deine Epoxidharz-Arbeiten bewegen sich zwischen Kunst und Design und heben sich durch ihre besondere Materialität hervor. Wie ordnest du selbst diese Werke im Verhältnis zu deiner Malerei ein, und was hat dich dazu bewegt, beide Richtungen zu erkunden?

Zuerst einmal stehen diese beiden Werkreihen für sich, allein schon durch ihre Materialität. Vereint werden sie durch den Wunsch, Licht zu integrieren. Bei den Epoxidharzbildern durch das plastische Spiel von Licht und Schatten. Dazu muss man sagen, dass ich gelernter Glaser bin und mich damals Kirchenfenster fasziniert haben. Das Spiel aus Licht und Malerei ist schon ziemlich einzigartig und dazu noch extrem aufwendig. Ich weiß es aus eigener Erfahrung. Das Epoxidharz kam sicher auch durchs Studium zu mir. Wir haben uns immer viel mit Materialien und Fertigungstechniken beschäftigt.

In den Epoxidharzbildern befinden sich einzelne Malschichten, die relativ konkret gehalten sind. Da spielt das Studium eine Rolle, welches von Form und Akkuratesse geprägt war. Die Malereien sind dann der klassische Weg, Farbe, Licht und Form auf die Leinwand zu bringen, durch das Mittel der Ölmalerei. Eine tolle Sache ist das!

Sebastian Menzke
"wo", 2024
21 x 16 x 6 cm
Acrylic, epoxy resin on wood in steel frame
Unique, signed
Anfrage

Einer deiner Unterstützer, Uti, ist eine wichtige Figur in deinem Leben. Welche Rolle spielt er für dich in Bezug auf deine künstlerische Entwicklung und die finanziellen Aspekte deiner Arbeit?

Nun, Uti, er heißt eigentlich Andre, ist mein längster und engster Freund. Wir lernten uns vor gut 28 Jahren kennen. Er war von Anfang an dabei. Er besitzt nun die größte Menzke-Sammlung neben mir, von frühesten Zeichnungen bis zu aktuellsten Arbeiten aus 2024. Er ist mindestens genauso kunstinteressiert wie ich, arbeitet aber als Händler bei der HVB in München. Da kommen wir auch schon zum finanziellen Aspekt (lacht). Früher habe ich ihm immer wieder Arbeiten geschenkt. Das hat dann mit den Jahren abgenommen, und er kaufte und kauft viel. Für ihn war und ist das Finanzielle nicht der Schwerpunkt im Leben. Er liebt die schönen Dinge, kauft überall und es ist ihm wichtig, von wem und dass derjenige dafür bezahlt wird. Ein solider, ehrlicher, authentischer, sehr verlässlicher, netter Mensch. Ich hoffe, er liest es nicht, sonst will er wieder etwas kaufen. Er ist süchtig.

Wir sprachen oft über die Kunst des Scheiterns und wie essenziell sie für den kreativen Prozess ist. Warum, denkst du, empfinden so viele Künstler diese Angst vor dem Scheitern, und was macht es so herausfordernd, sich dieser Angst zu stellen und dennoch mit voller Hingabe weiterzumachen?

Die Angst vor dem Scheitern ist wichtig. Für mich war und ist sie immer Antrieb. Immer alles geben und keinen Plan B haben. Sozusagen Vollgas auf den Abhang zu. Ich arbeite immer sehr viel, und wenn es mal schlecht läuft, noch mehr. Die besten Arbeiten entstehen bei mir in besonderen Situationen. Das muss natürlich nicht immer angstgetrieben sein. Grundsätzlich ist es aber immer eine Herausforderung, als Künstler zu arbeiten. Was, wenn es mit der Welt morgen vorbei ist? Dann wäre doch eh alles egal, also kann man auch das machen, was man unbedingt möchte.

SEBASTIAN MENZKE
„Büro, 2024
Öl auf Leinwand
100 X 100 cm
Unikat, signiert
Anfrage

Künstlerische Integrität vs. Kunstmarkt:
Die Balance finden

Wie findest du die Balance zwischen deiner künstlerischen Integrität und den Anforderungen des Kunstmarkts?

Am Ende eines Werkes muss ich mich darin wiedererkennen und mich damit wohlfühlen. Wenn das nicht der Fall ist, wird es niemand zu Gesicht bekommen – es wird entweder vernichtet oder nach einiger Zeit überarbeitet. Der Kunstmarkt ist eine eigene Welt und sollte die Kunst nicht beeinflussen, auch wenn er es oft tut. Da ich ein sehr breites Oeuvre habe, hatte ich beim Verkauf immer Glück. Trotzdem achte ich darauf, was ich veröffentliche. Es muss immer meinen Ansprüchen entsprechen.

Welche Ratschläge würdest du Künstlern geben, die den Spagat zwischen persönlicher Verwirklichung und den Erwartungen der Kunden meistern müssen?

Hmm, das kann ich nicht pauschalisieren. Jeder macht seine eigenen Erfahrungen. Vielleicht eins: nicht zu früh zu teuer werden.

Kunst näherbringen:
Mit Menschen in Kontakt treten und Interesse wecken

Anerkennung ist für alle im Kunstgeschäft wichtig, doch sie allein reicht nicht aus, um davon zu leben. Kunst benötigt eine engagierte Käuferschaft, Menschen, die Kunst als bereichernden Teil ihres Lebens sehen. Diese Gruppe ist klein und wichtig. Wie gehst du mit den Schwankungen in der Nachfrage um, und welche Ideen hast du, um neue Menschen zu inspirieren, Kunst in ihr Leben zu integrieren und dabei die wirtschaftlichen Realitäten zu berücksichtigen?

Das stimmt, Anerkennung ist wichtig. Um neue Menschen für Kunst zu begeistern, muss man ihnen die Kunst nahebringen – im wahrsten Sinne des Wortes. Also viel ausstellen und dann persönlich vor Ort erklären. Vieles geht heute online, ersetzt aber nicht das persönliche Gespräch. Ich treffe sehr unterschiedliche Leute mit den unterschiedlichsten Jobs, und es findet fast immer ein sehr guter Austausch statt. Das macht Spaß. Erst letztens habe ich ein gebrauchtes Auto gekauft und mich mit dem Verkäufer sehr gut unterhalten. Am Ende hat er mir das Auto verkauft, und ich ihm zwei Kunstwerke. Er fand die ‘total genial’. Ich will nur sagen, wenn man authentisch ist und alles erklärt, auch warum es kostet, was es kostet, verstehen es ziemlich viele.

Ausstellung “PYTHAGORAS & JELLY BEANS”, Sebastian Menzke & Hans Schüle in der GALERIE KRISTINE HAMANN, 2022

Zur Ausstellung hier

Zum Abschluss möchte ich mich herzlich bei Sebastian Menzke für das inspirierende Gespräch bedanken. In unserer aktuellen Ausstellung „TIMELESS“ im LAB der Galerie sind einige seiner neuen Werke zu sehen, und ich lade alle ein, diese Ausstellung zu besuchen.

Als Galeristin kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass der Erwerb eines Kunstwerks weit mehr ist als ein finanzieller Schritt – es ist wie ein zeitloses Schmuckstück oder ein besonders edles Kleidungsstück. Es wird nicht nur geschätzt und bewundert, sondern begleitet einen und verleiht dem eigenen Leben eine besondere Note. Kunst bereichert den Alltag, inspiriert und schafft über Jahre hinweg Freude. Ich möchte daher alle ermutigen, sich auf diese Erfahrung einzulassen und die einzigartige Verbindung, die Kunst schaffen kann, selbst zu erleben.

Danke
Kristine Hamann