Ausstellung mit großformatigen Momentaufnahmen eröffnet

Fotografien von Kälte und Verschwendung 

Von Beluga Post

Wismar. Dass Michael Deppe am Freitag seine Ausstellung von Fotos eröffnete, hat eine längere Vorgeschichte. Irgendwann einmal sei er sehr spät (er meinte sogar, sehr früh) von einer Party gekommen. Und habe dann auf dem hell erleuchteten Bahnsteig festgestellt, dass er dort der Einzige weit und breit gewesen sei.
Seither habe er verstärkt darauf geachtet, wo große Bauprojekte entstanden waren, die von der Bevölkerung nicht oder nicht im erwarteten Umfang angenommen wurden. Und dann nahm er sich seine Kamera und fotografierte pompös ausgeleuchtete Bahnsteige oder Freitreppen, „bei denen sich der Architekt so richtig austoben durfte“, wie Deppe meint. Einige dieser Bauten schienen für die Ewigkeit bzw. für Aufmärsche und Paraden gebaut worden zu sein. Nur eines fehlt auf allen Bildern. Leben. Keine Menschen, nicht mal ihre Spuren. Denn alle Bahngleise, Tunnel oder Vorräume waren frisch gereinigt worden. Nasse Böden spiegeln das grelle Licht der Deckenbeleuchtungen und machen die Atmosphäre noch klinischer, kälter und unbewohnter.
Michael Deppe, seit drei Jahren in Wismar ansässig, kennen viele als Bewährungshelfer, Mediator und Anti-Gewalt-Trainer. Er wiederum kennt die Menschen, die von der Gesellschaft als nicht produktiv und/oder störend erachtet werden, daher oft am Rande stehen und nicht selten in den Abgrund rutschen. Hilfe ist für diese Mitbürger oft nicht drin, weil kein Geld dafür da ist. Doch im krassen Widerspruch dazu stehen diese Prestigeprojekte, die Abermillionen kosten und an der Zielgruppe vorbeigeplant werden.
Diese Sichtweise und das Sehvermögen des früheren Architekturstudenten Deppe ermöglichte diese Ausstellung, die übrigens noch bis zum 30. November im Kunsthaus Bilderbühne zu sehen ist. Die 15 großformatigen Fotodrucke von sterilen und menschenleeren Umgebungen sind jeweils dienstags von 11:00 bis 17:00 Uhr, mittwochs von 09:00 bis 13:00 Uhr und donnerstags von 11:00 bis 18:30 Uhr beschaubar. Freitags öffnet die die Galerie um 15:00 Uhr und schließt, wenn alle gegangen sind. Dann ist zumindest für ein paar Stunden das Motto der Ausstellung auch auf das Kunsthaus Bilderbühne selbst anwendbar: „Mensch – was bleibt, wenn Du gehst…?“

Michael E. Deppe, norddeutscher Bewährungshelfer im Gespräch mit Gästen der Vernissage.
Michael E. Deppe vor einem Foto eines Tunnels, an deren Ende verschwommen blühende Landschaften locken. Da er als Fotograf nicht mag, fotografiert zu werden, reagierte Deppe mit einem Gegenschuss durch seine LOMO-Kamera. Fotos: B. Post



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