Das wäre das AUS für junge Galerien und Nachwuchskünstler.
Statement zur Ausstellungsvergütung
Anlass: Anhörung / Fachgespräch des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 12. Dezember 2012 mit Birgit Maria Sturm als Sachverständige für die Interessen der deutschen Galerien
Kommerzielle Galerien sind von dem Projekt „Ausstellungsvergütung“ in den Anträgen der Fraktion DIE LINKE und des BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN zwar ausgenommen. Doch aus Sicht des BVDG wird sich auch eine gesetzlich verankerte Verpflichtung der Institutionen zu Honorarzahlungen als kontraproduktiv erweisen. Neben den in diesem Papier genannten Gründen sollten die Ausstellungsinstitutionen vor allem nicht mit zusätzlichen bürokratischen Verwaltungsakten belastet werden.
Private und öffentliche Galerien sowie Kunstvereine agieren im Interesse zeitgenössischer bildender Künstler. Sie sind die ersten Stationen, die genau das bieten, was für eine Künstlerkarriere von entscheidender Bedeutung ist: Öffentlichkeit. Diese Öffentlichkeit findet – zunächst – in einem ausschließlich für Ausstellungen genutzten Raum statt. Die finanziellen Aufwendungen für die Organisation von Ausstellungen sind hoch und werden von den Institutionen bzw. Galerien getragen.
Zu deren Realisation gehören konzeptionelle Vorarbeiten und die Herausgabe von Katalogen. Der Institutsleiter oder Kuratoren schreiben Texte und halten Eröffnungsreden; Reisekosten werden bezahlt, Präsentationsequippment wird organisiert, Werbemittel produziert und oftmals eine Rahmenveranstaltung geboten – das klassische, runde Kunstvermittlungsprogramm. Kunstvereine, Galerien und Museen ermöglichen nicht selten aufwendige Projekte, die nur in ihren Räumen realisierbar sind. Mit den damit verbundenen Kosten – zu schweigen von den allgemeinen Betriebskosten – werden Künstler nicht belastet.
In Deutschland gibt es eine einzigartige, hervorragende Infrastruktur zu Künstlerförderung.Insbesondere die rund 300 Kunstvereine – von den rein mitgliederfinanzierten, ehrenamtlich betriebenen auf dem flachen Land bis hin zu den subventionierten Häusern in den größeren Städten – spielen hier ein tragende Rolle. Sie alle eint das Interesse, bildenden Künstlern, den lokalen ebenso wie den internationalen, ein Forum zu bieten, aktuelle Positionen zu zeigen und zum kulturellen Diskurs beizutragen. Hinzu kommen die städtischen Galerien, die Kunsthallen und, im Zenit, die Museen. Auf kommunaler, Landes- und Bundes-Ebene werden zudem vielfältige Möglichkeiten der Künstler-, Atelier- und Projektförderung sowie Stipendien geboten. Über ihren reinen Geldwert bzw. ihre (un)mittelbare Auswirkung auf die wirtschaftliche Existenz eines Künstlers hinaus befördern diese Instrumente seine Vernetzung und seinen Stellenwert im Kunstbetrieb.
Aus jeder Form der Finanzierung der Ausstellungsvergütung werden zwangläufig Einschnitte in den öffentlichen Kultur-Etats, insbesondere für die bildende Kunst, folgen. Dies bedeutete eine gravierende Einschränkung der Handlungsfähigkeit der Institutionen – denn mit (noch) weniger Geld werden sie statt 10 nur noch 8 Ausstellungen im Jahr veranstalten können. Oder: weniger Kataloge produzieren, weniger Werbung machen, keine Transportkosten mehr zahlen, keine exzeptionellen, mit hohen Materialkosten verbundenen Projekte, kein Rahmenprogramm mehr finanzieren können.
Künstler wünschen sich mit ihren Kuratoren gut organisierte, möglichst von Medienresonanz flankierte Ausstellungen und keine mittelmäßigen Präsentationen mit einer Einmalzahlung von ein paar hundert oder tausend Euro.
Die Vergütungsstrukturen für bildende Künstler sind in Deutschland ausreichend gesichert:
1. durch die Beteiligung an den durch den gewerblichen Handel (Galerien) erzielten Umsätzen von 50 bis 70 Prozent, je nach Status des Künstlers. Eine vergleichbar hohe Umsatzbeteiligung bietet keine andere Kulturwirtschaftsbranche.
2. durch das Folgerecht, §26 UrhG: dieses sichert Künstlern im Falle des Wiederverkaufs ihrer Werke im Sekundärmarkt einen maximalen Anteil von 4 Prozent des Verkaufspreises.
3. durch die Nutzungsrechte, §31 UrhG: diese sichern den Künstlern im Falle von werblichen Abbildungen (Kalender, Postkarten, Bebilderung von Texten etc. pp.) sogenannte Reproduktionsrechte, deren Tarife von der VG Bild-Kunst festgelegt sind.
Das Verlangen einer Ausstellungsvergütung ist offenkundig nicht nur urheberrechtlich sondern auch sozialpolitisch ambitioniert. Sozialrechtlich sind Künstler in Deutschland – im Gegensatz zu anderen selbständigen Berufen – durch das Künstlersozialversicherungsgesetz bereits in besonderer Weise privilegiert. Dieses sichert ihnen zu einem reduzierten Beitrag sowohl Kranken- und Pflege- als auch Rentenversicherung. Bekanntlich wird die Kasse zur Hälfte aus Mitteln der (Kultur-)Wirtschaft (- Künstlersozialabgabe -) und aus Bundesmitteln (- Bundeszuschuss -) finanziert.
Kunstinstitutionen arbeiten mit zunehmend reduzierten Haushaltsmitteln; Sponsorenakquise ist mittlerweile Bestandteil kuratorischer Tätigkeit. Die absehbaren Läsionen im bislang produktiven Beziehungsgefüge von ambitionierten Ausstellungsmachern und Künstlern wäre der Preis für den Anspruch der Künstler (welcher Künstler eigentlich?) auf Honorarzahlungen. Aus der zusätzlichen Belastung würde ein Zwang zu einer noch stärkeren Selektion folgen. Ausstellungsmacher orientieren sich an aktuellen, innovativen, gewagten, provokativen Positionen oder solchen, die zu einem bestimmten Ausstellungsthema passen. Künstlerhonorare müssten entweder über erhöhte Eintrittspreise oder anderweitige Einschränkungen gegenfinanziert werden, die sich negativ auf die Qualität und Inhalte der Ausstellungen niederschlagen - oder es werden verstärkt arrivierte Künstler für Ausstellungsvorhaben eingeladen, die mehr Publikum versprechen. Dies aber liefe dem Geist der Kunstvereine und der Stossrichtung des Projektes Ausstellungsvergütung diametral entgegen. Junge, unbekannte Künstler werden noch länger in der Warteschleife verharren, bis es zu einem ersten Ausstellungsprojekt kommt.
Das erinnert an die Auswirkungen des Folgerechts, dass vor Jahrzehnten im Verbund mit sozialpolitischen Absichtserklärungen installiert wurde. Auch hier hat sich in der Praxis gezeigt, dass nicht die wirtschaftlich schwachen, sondern die gut verdienenden bzw. marktstarke Künstler und deren Erben profitieren (siehe Anmerkung unten).
Bekannte, im Markt präsente Künstler können aus dem Verkauf ihrer Werke in der Regel gut leben. Künstler sind nicht die alleinigen Urheber der Bedeutung ihrer Werke. Ausstellungen sind jeweils Höhepunkte einer künstlerischen Vita: sie wirken sich positiv auf die ideell-materielle Wertschöpfung der Artefakte aus. Dass nur 5 bis 10 Prozent der Künstler dieses Ziel erreichen, ist dem Umstand geschuldet, dass der Kunstbetrieb keine Kapazitäten für die extrem hohe Anzahl freischaffender Künstler hat. Selbst der Kunstfonds, um das prominenteste Beispiel der Kunstförderung des Bundes zu nennen, kann jährlich bei einem Etat von ca. 1 Mio Euro aus 1.600 Bewerbungen nur rund 40 Künstler für Stipendien auswählen.
Die verständliche Frustration, die sich bei Künstlern ohne öffentliche Relevanz bzw. ohne Marktpräsenz ausbreitet, ist mit einer Vergütung für Ausstellungen, die sich möglicherweise nicht einmal anbieten, nicht zu überwinden. Die Entscheidung, Künstler zu werden, ist mit dem hohen Risiko einer durch die Gesellschaft nur begrenzt auffangbaren prekären wirtschaftlichen Existenz verknüpft. Hier wären ggf. die Akademien gefordert, die soziale Realität, die einem Kunststudium folgt, stärker zu thematisieren.
Der Vergleich mit anderen künstlerischen Sparten, der in der Vergütungsdiskussion regelmäßig wiederkehrt, hinkt in verschiedene Richtungen:
1. Die Gagen oder Honorare, die ausübende Künstler für die Aufführung oder Interpretation fremder (oder eigener) Schöpfungen erhalten, beziehen sich auf eine zeitlich begrenzte, sich ggf. in Intervallen wiederholende Vorführzeit. Eine Ausstellung hingegen – mit ihrem laufenden Kostenapparat - dauert 4 bis 6 Wochen; die physische Präsenz des Künstlers ist nur zum Aufbau und zur Eröffnung gefordert. Musiker werden für Konzerte, Schauspieler für die Bühne – oft über Agenten - engagiert; Künstler werden zu Ausstellungen – persönlich -eingeladen.
2. In einem bestimmten Licht betrachtet, handelt es sich bei Ausstellungen um eine von zweiter Hand finanzierte Investition in die zukünftige Geltung eines künstlerischen Werkes. Allein dieser Aspekt macht den Anspruch auf Ausstellungsvergütung obsolet.
3. Viele öffentliche Institutionen geben anlässlich einer Ausstellung einen Katalog heraus. Künstler erhalten eine hohe Anzahl an Belegexemplaren, die sie für eigene „Marketingzwecke“ hervorragend nutzen können. Hierbei handelt es sich um einen geldwerten Vorteil, um eine Art Äqivalent der Künstlerhonorierung – die es, so gesehen, also schon längst gibt.
Alternativen: Schutz und Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Kunstvermarktung!
1. Galerienförderprogramm
Der Verkauf von Kunstwerken ist die beste Möglichkeiten, die wirtschaftliche Situation von Künstlern zu stabilisieren. Der BVDG hat dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ein Galerienförderprogramm mit Vorschlägen insbesondere zur Unterstützung junger Galerien vorgelegt. Der BVDG hofft, dass dieses Konzept mit Mitteln des BKM 2013 in Angriff genommen werden kann. Denn die Marktchancen, die sich bildenden Künstlern hiermit eröffnen, sind ebenso effektiv wie das seit 30 Jahren vom BVDG erfolgreich durchgeführte Förderprogramm junger Künstler auf der Kunstmesse ART COLOGE („New Positions“).
2. Kunstmarktfreundliche Gestaltung der Margenbesteuerung von Kunstwerken ab 2014
Die neuen Mehrwertsteuerregelungen für den Handel müssen bestmöglich gestaltet werden. Nur durch die Zusammenarbeit mit Galerien ist bildenden Künstlern eine kontinuierliche und langfristige Marktpräsenz möglich; bloße Selbstvermarktung führt in der Regel nicht zu diesem Ziel. Der EU-bedingte Wegfall der ermäßigten Mehrwertsteuer für gewerbliche Kunstverkäufe bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der 7% bei Atelierverkäufen führt zu einer schwerwiegenden Asymmetrie in der wirtschaftlichen Beziehung zwischen Künstler und Galerist. Eine Balance kann nur durch eine praktikable, bedingungslose und grundsätzlich anzuwendende Implantierung einer 30-prozentigen Margenbesteuerung für Galerien und Handel wieder hergestellt werden.